Annaliese und Günther Stecher vor der Afra-Lithographie "Hl. Strohsack" von Reiner Schiestl. Foto: Knut Kuckel / #tirolbayern
Annaliese und Günther Stecher vor der Afra-Lithographie "Hl. Strohsack" von Reiner Schiestl. Foto: Knut Kuckel / #tirolbayern

Die Steindrucker aus Affenhausen – Urgesteine der Tiroler Druckerzunft

Der Steindruck gilt als „Königin aller graphischen Drucktechniken“. Vor über 220 Jahren von Alois Senefelder erfunden, erlebte der Steindruck vor 35 Jahren seine Wiederentdeckung durch die Steindruckerfamilien Stecher & Stecher in Affenhausen.

„Gelegentlich werde ich gefragt, ob der Steindruck ein aussterbendes Handwerk sei?“, erzählt Günther Stecher. „Dann frage ich schon mal zurück: irgendwo gibt es noch den ein oder anderen Steindrucker bei uns in Europa. Kann man denn dann schon überhaupt von einem ausgestorbenen Handwerk reden?“

Sicher, die wirtschaftlich große Zeit der Steindruckerei sei vorbei, so Günther Stecher, „sie wurde nach und nach vom Offsetdruck abgelöst und ist für die Massenproduktion von Drucksachen wirklich ungeeignet.“

Steinreich könne man als Steindrucker deshalb nicht werden, meint Günther Stecher, aber das Handwerk habe in seiner Familie einen höheren Stellenwert als der bloße Broterwerb.

Bis um 1950 war der Steindruck allerdings noch eine häufig verwendete Drucktechnik für die unterschiedlichsten Drucksachen. Entwickelt von Alois Senefelder im Jahr 1797/98, einem Jurastudenten mit Hang zur Schriftstellerei. Senefelder gilt somit als Erfinder der Lithographie. Es dauerte damals nicht lange, bis Künstler den Steindruck als eigenständige Kunstform weiterentwickelten. Unter ihnen Toulouse-Lautrec, Chagall, Miró und Picasso. Sie machten die Lithographie weltberühmt.

Die Affenhausener Steindrucker verwenden ausschließlich für den Druck den Solnhofer Plattenkalk. Der „Solnhofener“ wird inzwischen vielfach auch „Lithographenschiefer“ genannt. Solnhofener Plattenkalk ist die Bezeichnung für einen Naturwerkstein aus dem Altmühljura der Fränkischen Alb in Bayern.

Mit dem Stein werden in der Steindruckerei Stecher & Stecher im Wildermieminger Ortsteil Affenhausen seit 35 Jahren künstlerische Lithographien gedruckt. Die familieneigene Werbeagentur leitet inzwischen Sohn Clemens Stecher, ein gelernter Druckvorstufen-Techniker. Günther Stecher zur Agentur: „Wir bezeichnen uns ja als Landgrafiker und machen vom Entwurf, Fotos, Text, bis zu den druckfertigen Daten alles selbst. Unter dem Motto ‚klein aber fein‘ und alles mit einer unverkennbaren Handschrift.“

„Mein Vater Walter war Hoch-, Tief- und Flachdrucker und ich habe Lithograph gelernt“, sagt Günther Stecher. Als Auszubildender in der Alpina Offsetdruckerei in Innsbruck. Ein Lithographie Sommer-Seminar besuchte Günther Stecher in der Kunsthochschule von Urbino (in Italien, südwestlich von Pesaro). In seiner Werkstatt hängt sein Lehrbrief vom Juli 1971. Der bescheinigt ihm die Ausbildung zum Lithographen in Innsbruck „mit Auszeichnung“ bestanden zu haben. Seinen Gautschbrief schließlich erhielt Günther Stecher, als „Jünger der Buchdruckerkunst“ am 25. Oktober 1991 im Ötztal. Im Gespräch mit #tirolbayern sagt er: „Ich bin Lithograph und Steindrucker aus Leidenschaft und weil es nichts Schöneres gibt als mit kreativen Menschen zu arbeiten.“

Vater Walter Stecher, der ihn mit heute längst vergessenen Drucktechniken vertraut machte, lernte das Buchdrucken in der Buchdruckerei Egger in Telfs und arbeitete später bei der Tyrolia Verlagsanstalt in Innsbruck. Walter Stecher bekam seinen Gautschbrief im November 1995. Das „Gautschen“ ist ein bis ins 16. Jahrhundert zurückgehender Buchdruckerbrauch, bei dem ein Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung im Rahmen einer Freisprechungsfeier in einer Bütte untergetaucht und/oder auf einen nassen Schwamm gesetzt wird.

Walter Stecher ist ein gradliniger Charakter. Er sagt, was er denkt und meint, was er sagt. Für den in 1910 in Absam bei Hall geborenen österreichischen Maler Max Weiler druckte Walter Stecher sein erstes Kunstbuch. Als Dankeschön für seine Arbeit hätte er sich ein großformatiges Ölbild von Max Weiler aussuchen dürfen. Er lehnte ab, mit den Worten „Max mir gefallt kuans“. Das Bild hätte heute den Wert einer äußerst lukrativen Kapitalanlage. Max Weiler verstarb am 29. Jänner 2001 und wurde in einem Ehrengrab der Stadt Wien am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Walter und Günther Stecher gelten in Tirol und darüber hinaus als Urgesteine der Druckkunst. Walter hat sich aus Altersgründen schon in den vergangenen Jahren mehr und mehr zurückgezogen. Der klassische Steindruck – wie er im Hause Stecher noch heute praktiziert wird – ist eine körperlich harte Arbeit. Alles wird von Hand gemacht. Die Druckfarben werden von Hand angerührt und gedruckt wird direkt vom Stein. Die Künstler verwenden unterschiedliche Techniken, um ihre Zeichnungen auf den Stein zu bringen. Üblich sind dabei Kreide, Feder und Pinsel, bis hin zur Gravur am Stein.

Für jede Druckfarbe wird ein eigener Stein bezeichnet. Gedruckt wird auf der alten Reiber-Handpresse auf hochwertigen Büttenpapieren.

Zu den langjährigen Künstlern gehört auch die gebürtige Innsbruckerin Maria Tomaselli (inzwischen 78 Jahre), die im brasilianischen Porto Alegre lebt und dort eine Litho-Werkstatt betreibt. Ihre eigenen Lithographien lässt sie bevorzugt bei den Stechers in Affenhausen drucken. Die Künstlerin reist dann extra an, bemalt meist gleich mehrere Steinplatten und begibt sich anschließend wieder auf die lange Heimreise. Die Druckfertigstellung wartet sie gar nicht ab. Was Maria Tomaselli angehe, so Günther Stecher, sei das ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis auf Gegenseitigkeit. „Das ist wie eine Ehe zwischen Künstler und Drucker. Wenn man öfter miteinander arbeitet, kennt man sich.“

Weit über die Landesgrenzen Tirols hinaus bekannt wurden die Affenhausener Steindrucker durch das Afrafest und die, in diesem Zusammenhang inzwischen berühmten Afra-Lithographien.

„Als wir 2004 unser 20-jähriges Betriebsjubiläum feierten, wurden erstmals die finanziellen Nöte der Tiroler Frauenhäuser publik“, erinnert sich Günther Stecher. „Da verknüpften wir spontan das Jubiläum mit einem Benefizfest.“

Für die damals als einmalig konzipierte Afra-Initiative schuf August Stimpfl die 12-farbige Lithographie „Weib“. Spontan stellten sich weitere namhafte heimische Künstler in den Dienst der Sache. „Wir konnten gar nicht anders“, bestätigen Walter, Annaliese und Günther Stecher übereinstimmend, „als weiterzumachen.“ Auf Stimpfl folgten Paul Flora, Herbert Danler, Chryseldis Hofer-Mitterer, Franz Pöhacker, Patricia Karg, Walter Nagl, Robert Scherer, Anton Christian, Jos Pirkner, Elmar Kopp, Nino Malfatti, Franz Mölk, Leander Kaiser und aktuell Reiner Schiestl.

50-tausend Euro brachte die Afra-Lithographie „Ich fürchte nicht“ von Leander Kaiser im vergangenen Jahr ein. In den vergangenen 15 Jahren spendeten die Familien Stecher & Stecher 481.200 Euro Tiroler Frauen in Not. Die Spendenschecks zugunsten der Tiroler Frauenhäuser werden traditionell im Rahmen einer Adventfeier in Wildermieming überreicht.

Die Innsbrucker Kunst-Autorin Elisabeth Maireth gehört zu den Stammgästen der meist Anfang Dezember gefeierten Afra-Adventfeier. Sie schreibt „Geteilte Kunst ist mehrfache Hilfe“ (Milionart Kaleidoscope 2.17): „Es ist ein Fest, zu dem die Familie Stecher großzügig einlädt, ihre Türen öffnet, ihre Gäste bewirtet und unterhält, dabei nie vergessend, dass es auf der anderen Seite viele Menschen gibt, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind.“

Das sind vorrangig Frauen in Not. „So eine Aktion ist nicht selbstverständlich und kann gar nicht genug gewürdigt werden“, sagt Margret Aull, Vorsitzende vom Frauenhaus Tirol. Anneliese Junker vom Verein „Frauen helfen Frauen“ ergänzt: „Es ist für unsere Frauen und ihre Kinder nicht unproblematisch, geschützt unterzukommen. Der Weg ist alles andere als leicht. Dort angekommen braucht es wiederum hilfsbereite Leute, die sich um die Frauen in Not kümmern und ihnen dabei helfen, in ein selbstbestimmtes Leben zurückkehren zu können.“

Laut Überlieferung gilt die Hl. Afra auch als Namensgeberin von Affenhausen – früher „Afrahausen“. Afra, eine Königstochter aus Zypern, betrieb mit drei „Gespielinnen“ ein Dirnenhaus in Augsburg. Bischof Narcisssus suchte auf der Flucht vor der diokletianischen Christenverfolgung Unterschlupf und Schutz bei Afra. Die tiefe Gläubigkeit von Narcissus beeindruckte Afra so sehr, dass sie sich bekehren und taufen ließ. Im Jahr 304 n. Chr. wurde sie auf Anordnung von Diokletian im Lechfeld bei Augsburg, an einen Baum gebunden, verbrannt.

Die Heiligsprechung erfolgte 1064. Der Gedenktag ist der 7. August. Die Märtyrerin Afra setzte sich schon zu Lebzeiten für benachteiligte Frauen ein und wurde Schutzpatronin der Diözese Augsburg.

In der Nachbarschaft der Stecher-Häuser in Wildermieming/Affenhausen steht die Afra-Kapelle. Das 16. Afra-Fest mit Reiner Schiestl wird am Sonntag, den 11. August 2019 mit einer Festmesse um 16.30 Uhr vor der Afra-Kapelle eröffnet. Nach dem Gottesdienst mit dem Stamser Abt German Erd präsentiert der Tiroler Alt-Landtagspräsident DDr. Herwig van Staa den aktuellen Künstler mit der Benefizi-Lithographie „Hl. Strohsack“. Zum anschließenden Gartenfest spielt die Musikkapelle Mieming.

Quelle: Grenzgänger #tirolbayern, 05.07.2019

Afra-Fest 2019 in Affenhausen – Lithographie „Hl. Strohsack“ gegen die Kälte in der Welt

Fotos: Knut Kuckel /Grenzgänger #tirolbayern

Über die Autorin/den Autor

Knut Kuckel

In meinem Blog schreibe ich über persönliche Begegnungen und Erlebnisse. Von Hause aus Rundfunkjournalist, bin ich als Grenzgänger der Regionen immer auch gerne Europäer.

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